Sonntag Sachsen News

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Phantasie für den Frieden

2024-05-1509:41

Sonntag Sachsen

Tagtäglich schlägt uns nun soviel Gewalt und Armut, Zerstörung und Hass, Tränen und Blut, letztlich so viel Sinn-Losigkeit entgegen, dass wir an der Menschheit zu verzweifeln beginnen, dessen Einzelexemplar jeder selbst ist. Wir können nur froh sein, wenn wir noch nicht mittendrin sind. Wo unsere Welt in gefährlichen Aufruhr, unwägbare Umbrüche, soziale und ökologische Katastrophen taumelt und unser eigenes Land in eine merkwürdig diffuse Gemütslage, mit irritierenden Anleihen an dunklere Vergangenheit gekommen ist, da kann ich diesen »Friedenspreis« nur als Würdigung eines bestimmten Weges, mehr noch als eine Ermutigung verstehen, weiter aus einem DENNOCH zu leben, unbeirrt dabei zu bleiben, dem inneren und äußeren Frieden mit Mitteln des Friedens zu dienen. (…)

Wir lassen uns polarisieren. Wir sagen zu leicht: DIE Serben, DIE Kroaten, DIE Moslems. Wir teilen ein, verstärken die Fronten durch Einteilungen, die tödlich werden. Unsere Erschütterung und unsere Ohnmacht verleitet dazu, aus Mitgefühl Machtmittel einzusetzen, unsererseits dreinzuschlagen, damit endlich Friede wird. Die Vereinten Nationen finden nicht die Kraft, den Krieg auszutrocknen. Die friedlichen Mittel werden nicht ausgeschöpft. Die Waffenhändler sind unter uns. (Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur.) Wenn uns die Mittel des Friedens zu teuer werden, werden wir an den Mitteln des Krieges zugrunde gehen. Was wir an zivilem Einsatz versäumt haben, werden wir nicht durch kriegerischen gutmachen können. Deshalb plädiere ich für ein Friedenskorps, einen internationalen Zivildienst. Gewalt muss wirklich ultima ultima ratio bleiben. (…)

Predigten einst meine pastoralen Vorgänger Identität aus einem gemeinsamen Feldzug gegen den »Erz-Feind«, so schienen pickelhäubige Schnauzbart-Herrlichkeiten nach Verdun zu verstummen. Nach Bergen-Belsen und Auschwitz, Dresden und Hiroshima dachte man, das NIE WIEDER gelte generationenübergreifend. »Zieht nun in neue Kriege nicht, ihr Armen / Als ob die alten nicht gelanget hätten: / Ich bitt euch, habet mit euch selbst Erbarmen!« (Bert Brecht) (…) Es geht nicht um feiges Heraushalten, sondern um einen anderen Weg des »Eingreifens«. Statt mobiler Eingreiftruppen, die unter Führung der nationenbestimmenden Großmacht in den diversen Krisenherden der Welt meinen, Frieden mit modernsten Waffen schaffen zu müssen, plädiere ich für INTERNATIONALE FRIEDENSKORPS, die menschliche und fachliche Kooperation in den Konfliktgebieten suchen und einen auf Gerechtigkeit beruhenden Frieden aufbauen helfen. Das kostet viel Einsatz, viel Geld, viel Phantasie, aber gewiss viel weniger Menschenleben. Wer helfen will, braucht mehr als Geländekenntnisse: Menschenkenntnis, Kenntnis der Kultur und Tradition der Krisengebiete, braucht kooperative und gewaltvermeidende Strategien, konzeptionelle Arbeit an der Ursachenbeseitigung. (…) Statt nun die Lehre vom »gerechten Krieg« fortzuschreiben (dieser diffizilen, stets missbrauchbaren Legitimierung einer Gewalt, die sich Unrechtsgewalt rechtmäßig in den Weg stellen will, aber selber in die Gewalt- und Unrechtsspirale hineingerät), brauchen wir eine außerordentliche Anstrengung, um eine internationale Lehre und Praxis des »gerechten Friedens« zu entwickeln. Ist es inzwischen nicht für jedermann offensichtlich, dass es Frieden nicht ohne Gerechtigkeit gibt und dass Ungerechtigkeit eine der Hauptursachen von Krieg ist? (…)

Die prophetische Konversionsvision (Jes. 2,2–5), die den Gedanken wie den Werkzeugen des Friedens gleichermaßen gilt, bleibt aktuell, bis unsere umgeschmiedeten Schwerter in der (ver-)hungernden Welt für Brot sorgen, bis wir nicht mehr lernen, wie man Kriege führt, sondern wie man Frieden erhält und wir alle statt unsere eigensinnigen Ziele zu verfolgen auf ein gemeinsames Ziel zugehen: die Völkerversammlung im SCHALOM.

Die ganze Rede findet sich unter: www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de

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